Am Jenseitslagerfeuer meiner Ahnen

Über eine Zeitbrücke zum Jenseitslagerfeuer meiner Ahnen

Am Jenseitslagerfeuer meiner Ahnen
Am Jenseitslagerfeuer meiner Ahnen

Jenseitslagerfeuer. Vielleicht eine sprachliche Neuschöpfung von mir, die Eingang in meine Erzählung „In der Nacht der Steinkauz rief“ gefunden hat. Lesen Sie über die Hintergründe zu meinem Ahnenbesuch und die kleinen lesenswerten Geschichten am Lagerfeuer im Jenseits. Eine Geschichte, die uns auf eine Reise durch die Zeit mitnimmt. Eine Erzählung, in der Vergangenheit und Gegenwart auf geheimnisvolle Weise miteinander verschmelzen, als würde man über eine Zeitbrücke oder eine Zeitreise dahin gelangt sein.

Zeitreisen sind theoretisch möglich

Aber zunächst möchte ich Ihnen einen Mann vorstellen, der angeblich theoretisch bewiesen hat, dass Zeitreisen möglich sind. Sein Name: Kurt Gödel, wohl ebenso schlau wie sein Freund Albert Einstein. Lesen Sie dazu einen Artikel von 1949, erschienen im Wiener „Der Standard“, über die theoretische Machbarkeit von Zeitreisen. Zitat:

Unternimmt man in einem Raumschiff eine Rundreise auf einer hinreichend weiten Kurve, so Gödel, kann man in diesen Welten jede beliebige Region der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besuchen und wieder zurückreisen. Während Gödel bis an sein Lebensende nach Beobachtungsdaten forschte, die sein Modell bestätigten, zeigte sich Einstein weniger begeistert. Gödels Lösung sei zwar mathematisch richtig, aber „aus physikalischen Gründen“ unmöglich.

Eine fantastische Zeitreise zu den Ahnen

Hallo Herr Gödel. Ich habe eine fantastische Zeitreise gemacht und darüber geschrieben, können Sie nachlesen in meinem Zeitbrücke-Buch. Ein bisschen theoretisch und wohl auch nicht so schlau wie ihr Gödel-Universum, eher ein fantastisches Geschehen am Jenseitslagerfeuer.

Reden wir über meinen Ahnenbesuch und die kleinen Geschichten am Jenseitslagerfeuer.
Da ist der Pfarrer, der sich umbringt, nachdem das Käuzchen ihn gerufen hat. Das Käuzchen, quasi eine moralische Instanz, die den Pfarrer in den Tod ruft, weil er es mit den Knaben und auch mit einigen Mädchen seiner Gemeinde hatte. Sagen wir es ruhig, obwohl es so direkt nicht in meiner Erzählung angesprochen wird: Der Pfarrer hatte einige Kinder seiner Gemeinde sexuell missbraucht.

Gehen Sie mit mir über meine Zeitbrücke. Sie können das, was da am Jenseitslagerfeuer erzählt wurde, mitfantasieren. Wie der Pfarrer den Glockenturm hochsteigt und sich von Schuld getrieben, aufhängt. Wie er am Glockenschwengel baumelt und die Glocke die Gemeinde an Schuld und Sühne erinnert, während die Glocke die ganze lange, lange Nacht den Abschiedsgruß des Pfarrers bis hinter das Moor getragen hat. Später die kalt-politische Erklärung des Bischofs, der verkünden ließ, der Pfarrer sei gestolpert und zu Gott heimgegangen.

Ella, Martha und das Leuchtgas

Pohl Feldpostbrief 1915 von Tilsit nach Obischau/Schlesien
Absender: Gefreiter Franz Pohl – stationiert im Pferde-Depot 4 in Tilsit

Der zweite Part handelt von zwei Schwestern, die sich angeblich mit Leuchtgas umbrachten.
Die Anregung zu dieser Geschichte erhielt ich durch einen Flohmarktfund. Zwei Feldpostbriefe von 1915, geschrieben von Franz Pohl, an seine Mutter in Obischau im Kreis Namslau in Schlesien. Franz Pohl war ein Gefreiter der Njemen-Armee, der späteren 8. Armee, stationiert im Tilsiter Pferdedepot.

Warum wählten zwei lebenslustige Schwestern den Freitod?

Dieser Fund war für mich wie eine Zeitbrücke, über die ich versuchte zu gehen. Die Briefe gaben keine Antwort darauf, warum die Schwestern in den Tod gingen. Also habe ich darüber fantasiert, wie Sie in meiner Erzählung „In der Nacht der Steinkauz rief“ nachlesen können.
Ich habe versucht, die Lebensspuren der beiden Damen zu verfolgen. Verschiedene Seiten, die sich mit Familienforschung beschäftigten, wurden von mir durchforscht. Den einzigen Anhaltspunkt, den ich hatte, war dieser: Der Todeszeitraum musste, laut Briefdatum, vor dem 20.12.1915 liegen. Nach vielen vergeblichen Suchen bin ich schließlich in den Berliner Archiven fündig geworden.


Johanna Ella Feltner und ihre Schwester Dorothea Wilhelmine Martha sind am 14. Dezember 1915 in Berlin-Wilmersdorf, in ihrer Wohnung in der Güntzelstr. 49, freiwillig in den Tod gegangen. Laut Standesamt war Ella eine Porträtmalerin, aber lt. Tageblatt waren beide Porträtmalerinnen. Die Schwestern sollen aus „gutem Hause“ gewesen sein. Die vagen Umstände um den Freitod der Feltner-Schwestern können Sie nachfolgend einer Zeitungsmeldung des Berliner Tageblatts (Abendausgabe, Seite 5) vom 14.12.1915 entnehmen. Die Zeitung berichtet u. a., dass mehrere Abschiedsbriefe an die Angehörigen gefunden wurden. Auch die Redaktion des Tageblatts sei von den Schwestern mit einem Brief, den sie vor ihrem Freitod abschickten, informiert worden.




Leseprobe aus meiner Fantasie-Erzählung: In der Nacht der Steinkauz rief

(…) Und dann stand es im Dezember 1915 in der Tilsiter Zeitung. Sie hätten sich mit Leuchtgas vergiftet, aber ohne Explosion. Die sind gemeinsam aus dem Leben geschieden, schrieb so ein Schreibstubenhengst, übrigens aus Schlesien, vom Pferdedepot der Tilsiter Garnison, an seine Mutter:
Denk bloß, Ella und Frieda und mit Leuchtgas. Und er wusste nicht mal warum, hatten sie ihm doch Wochen vorher noch so lustige Briefe geschrieben und so komische Fotos beigefügt. Vielleicht, denke ich, waren sie unglücklich verliebt, dann macht man vielleicht so was. Oder man hat über sie geredet. Man weiß ja, wie das so zugeht, wenn sie hinter  deinem Rücken tuscheln, oder die Straßenseite wechseln, wenn sie dir entgegenkommen. Und du kannst dich nicht wehren. Nicht als junges Mädchen, womöglich in der Fremde. Vielleicht waren sie in Stellung, als Dienstmädchen und der Herr hat mehr getan als ihnen nur unter den Rock gefasst, mit Folgen, die nicht mehr zu kaschieren waren. Traurige Geschichte
das. Und grade fällt mir ein, es kann auch ganz anders gewesen sein: Undichte Gasleitung und keiner hat es in der Nacht gemerkt.
(…)

Aber es war ja ganz anders, wie wir jetzt wissen. Leider bleiben die ganzen Umstände, die zu dieser Selbsttötung führten, weiterhin im Dunkeln.

  • Weitere Episoden am Jenseitslagerfeuer:
  • Michael, der Potenzriese, der 16 Kinder zeugte und seine vier Ehefrauen überlebte.
  • Oder der Ältervater, der vom Tatareneinfall erzählte und davon, was auf der Halbinsel am Dadaj geschah.
  • Der Soldat Erich, der erzählt, wie Polina, eine russische Partisanin, von der SS gefangen und unmenschlich behandelt wurde.

Alle anderen Geschichten, die am Jenseitslagerfeuer erzählt wurden,
Meine: Gedanken über mein Vorspiel – eine Zeitreise.


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